Wie du deinen eigenen Zeichenstil findest bzw. warum du gar nicht mehr suchen musst

Wie finde ich meinen eigenen Stil

Die Suche nach dem eigenen Stil – uhhh, ein grooooßes Thema und für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Mir persönlich hat es irgendwie lange Angst gemacht. Ich habe mich gefragt: Wie soll das gehen? Was ist überhaupt ein Zeichenstil? Und: Wovor habe ich überhaupt Angst? Dass ich meinen Stil nicht finden werde? Dass es niemandem gefällt, was und wie ich male? Dass ich mit meinem Stil aus dem Rahmen fallen werde? Aber welcher Rahmen eigentlich? Gibt es einen Rahmen? Und was wirkt da hinter dieser Angst? Erziehungsmuster und Glaubenssätze à la: du wirst nur geliebt, wenn du dich anpasst? Angst davor, ich selbst zu sein und mich so zu zeigen, wie ich bin …? Und dafür nicht gemocht zu werden …? Kann gut sein! – Dabei ist das Allerwichtigste in der Kunst und auch sonst wo: Authentizität oder auch: sei du selbst! Nur, wenn man Kunst macht, die einen selbst begeistert und die vollkommen aus dem Herzen kommt, erfüllt einen das doch. Und nur so bleibt man dran und kommt auch im Außen gut an.

Where I create there I am true 

Rilke

Da, wo ich erschaffe, da bin ich wahrhaftig.

Und genau darum geht es doch auch! Zu seinem EIGENEN Stil zu kommen und nicht darum, jemand anderen zu imitieren. Dann würde man sich schon wieder verleugnen anstatt das zu tun, worum es geht: zu sich selbst zu finden!!!

Der Vergleich mit anderen macht dich blind für das Original, das du bist.

Laura Malina Seiler

Indem man seinem eigenen Weg folgt, nimmt man sich selbst ernst, lernt sich selbst kennen und auf seine Intuition und auf die Sprache des Herzens zu hören. Dadurch baut man SelbstBEWUSSTSEIN auf, also ein Bewusstsein für sein Selbst, dadurch wird man glücklich beim Malen und erlangt Freiheit – niemand anderes kann einem hier etwas vorschreiben!  Genau darum ist die Frage nach dem Stil mittlerweile auch eins meiner Lieblingsthemen.

Um gleich einmal das Ende meiner Geschichte und meiner Erkenntnisse vorweg zu nehmen:

Die Wahrheit ist: du musst deinen Stil nicht finden – schon gar nicht irgendwo da draußen. Du hast schon jetzt einen Stil – in dir. Glaube mir bitte, auch wenn du vielleicht gerade denkst, ich kenne dich ja nicht und ich habe ja keine Aaaahnung! Es ist eine verständliche Reaktion, aber lies erst mal weiter …

Du fragst vielleicht: Was aber, wenn man gar nicht weiß, was einem gefällt? Und gar nicht hört, was das Herz einem sagt? Dann ist es das Wichtigste, die Ruhe zu bewahren und ins Vertrauen zu gehen. Denn woher kenne ich diese Gedanken wohl? Weil ich sie auch hatte! Und dennoch bin ich schon ein großes Stück weiter auf dem Weg zu meinem Stil (Achtung: nicht auf der Suche, sondern auf dem WEG! 😉).

Stelle dir nun einmal gedanklich und mit geschlossenen Augen bildlich vor oder noch besser, tue es tatsächlich: du möchtest jetzt malen. Wohin gehst du dann? Auf das Sofa? An den Küchentisch? Ins Bett? An die Garagenwand? In ein Atelier? Welches Werkzeug nimmst du in die Hand? Einen Bleistift? Einen Buntstift? Einen Pinsel? Mit welcher Farbe – Aquarell, Acryl, Öl …? Wie würdest du anfangen? Würdest du vorsichtig Linien zeichnen oder gleich drauf los legen und großflächig Farbe auf das Papier bringen? In welchem Maßstab malst du? Auf A4-Papier am Tisch oder einem kleinen A6-Block auf den Knien auf dem Sofa? Oder legst du dir ein 2qm Stück Tapete auf den Fußboden und arbeitest groß mit ganzem Körpereinsatz? Welches Motiv würdest du wählen? Landschaften? Menschen? Gegenstände vor deiner Nase? Skizzierst du gerne immer wieder Neues oder sitzt du auch gerne länger an einem Bild, um es zu kolorieren? Alles ist in Ordnung und alles darf sein. Wir sind quasi auf der Suche nach deinem künstlerischen Selbst. Also reglementiere dich nicht. Das ist vielleicht anderswo nötig, aber an dieser Stelle definitiv nicht!!!

Also mache jetzt mal bitte die kleine gedankliche Übung oder male wirklich etwas. Ich warte hier auf dich. Schließe die Augen, atme drei mal tief durch und dann stell dir vor, wo du dich hin setzt, welche Materialien du dir nimmst und wie du malst … Ich warte hier auf dich ….

So wie du jetzt gedanklich oder in echt gemalt hast, so kann das kein anderer. Von diesem Punkt aus kannst du dich natürlich weiter entwickeln und Neues lernen. Aber auch das, was du lernst, was wichtig für dich ist und in welche Richtung du dich dadurch entwickelst – all das gehört zu deinem Stil. Meistens sind das sehr intuitive Entscheidungen – aus dem Herzen bzw. aus dem Bauch heraus. Selbst wenn du sagst, du möchtest genauso zeichnen wie xy, wirst du nicht genauso zeichnen wie derjenige! Jeder Künstler malt in seiner eigenen ‚Handschrift‘. Jemand anderen zu kopieren, funktioniert nicht und ist davon abgesehen auch nicht wünschenswert, denn du willst doch du selbst sein beim Malen! Und keine Angst, das wirst du, auch wenn du jetzt vielleicht noch denkst, du weißt nicht, was und wie du eigentlich malen willst. Insofern kann anfängliches Kopieren anderer Künstler auf jeden Fall ein großer Lernbooster für dich sein. Wenn du begeistert bist von anderen Bildern und dir denkst: ‚das würde ich auch gerne können‘, dann ist das definitiv ein Hinweis darauf, was dir gefällt und in welche Richtung du dich entwickeln willst.

Ich finde auch, dass man sich nicht auf einen Stil festlegen muss. In meinen art journals zeichne ich z.B. die verschiedensten Motive auf verschiedenste Art und Weise: Menschen, Landschaften, Gebäude, leckeres Essen … Ich probiere immer wieder Neues aus. Manchmal gefällt es mir, manchmal nicht. Und genau das ist die Art und Weise wie ich zu meinem Stil finde! Ich habe momentan gar keine Lust, mich fest zu legen, sondern genieße den Weg. Dennoch erkenne ich mittlerweile Muster in meinen Bildern: welche Motive immer wieder vor kommen, welche Farben ich benutze, welche Materialien …

Wenn du bei der gedanklichen Übung nichts gesehen haben solltest – mach dir keine Sorgen. Dann hast du einfach höchstwahrscheinlich sehr lange nicht gemalt und weißt gar nicht, wo du anfangen sollst. Dennoch ist es wichtig zu wissen, dass du zu deinem eigenen Stil nur durch das Tun kommst. All meine stilistischen Elemente habe ich eigentlich nur durch ausprobieren gefunden – meistens rein zufällig. Daher ist es wichtig, am Anfang einfach los zu legen und Vertrauen zu haben. Wie ein Kind. Schnapp dir Papier und Stift oder Pinsel und schon bist du dabei!

Was umfasst überhaupt einen künstlerischen Stil?

Aber der Reihe nach! Was umfasst überhaupt einen künstlerischen Stil? Ich würde es ganz allgemein so definieren, dass es eine bestimmte Art zu zeichnen und zu malen ist und eine, die so typisch für einen ist, dass andere erkennen, wer etwas gemalt hat. Mit anderen Worten: Dein Stil – das bist du! Und das, was da heraus kommt, kann so nur aus dir selber heraus kommen und aus niemand anderem. Also vergleiche dich nicht mit anderen (wobei dazu lernen und inspirieren lassen natürlich erlaubt ist) und erlaube dir, deinen Stil zum Vorschein kommen zu lassen. Wer bist du? Was möchtest du malen? Welche Stimmung gefällt dir? Welche Kompositionen? Oder malst du lieber einzelne Elemente? …

Die Motivwahl

Zu einem künstlerischen Stil gehört in erster Linie die Motivwahl. Ich habe mich anfangs gefragt, was das bei mir sein könnte und was meine Motive in der Vergangenheit waren. Hauptsächlich sind es für mich wohl Menschen und Tiere. Eigentlich musste ich mir im Laufe der Zeit darum gar nicht mehr viele Gedanken machen, denn ich habe einfach das gemalt, was mir in den Kopf kam. Ich hatte eine Idee und habe sie gezeichnet. Ohne groß darüber nachzudenken.

Um das Ganze mal etwas weiter zu fassen, würde ich sagen, dass auch Lettern (für mich) zum Malen dazu gehört. In meinen Bildern tauchen auch immer wieder Worte auf, um die Bilder zu unterstreichen oder ihnen auch für Außenstehende eine klarere Bedeutung zu geben.

Wenn du noch Ideen brauchst, was du zeichnen könntest, dann lasse dich gerne von diesem Artikel inspirieren: Was soll ich malen oder die Angst vor dem leeren Blatt.

Realismus vs. illustrativer Stil

Der nächste Punkt ist für mich der Kern des Zeichenstils, wie ich finde: WIE malt man seine Motive? Ich zum Beispiel zeichne Menschen und Tiere nicht gerne realistisch. Was mich interessiert, sind knuffige Tiere mit niedlichen Augen, die – wie gesagt – gerne menschliche Accessoires haben dürfen wie eine Brille oder einen Pullover oder die schief gucken oder die irgendwie ein bisschen magisch sind, vielleicht ein Fuchs auf zwei Beinen stehend und der nicht mal unbedingt rotbraun sein muss, oder ein stilisierter, vereinfachter Fuchs, reduziert auf seine Hauptmerkmale, der Leuten ein ‚Ohhh, wie süß‘ entlockt. Ich liebe es, die Dinge niedlich zu malen, jetzt nicht so übertrieben manga- oder Cartoon-mäßig, aber doch haben meine Figuren immer etwas Süßes an sich. Man möchte sie knuddeln. Oder meine characters erzählen irgendwie eine Geschichte. Ich liebe Geschichten! Geschriebene oder gemalte – egal. 

Verschiedene Zeichenstile des figürlichen Malens. Das abstrakte Malen soll jetzt hier außen vor bleiben.
Hier habe ich nur mal einige Zeichenstile des figürlichen Malens aufgeschrieben.

Manchmal sagen Leute zu mir, wenn ich ein Bild von meinen Kindern male: das sieht aber ziemlich unecht aus, wie eine Figur aus einem Kinderbuch. Was sie damit meinen ist, dass meine Figuren stilisiert sind. Für Menschen, die sich bisher nicht mit dem Malen auseinander gesetzt haben, ist ein gutes Bild häufig eines, das sehr, sehr realistisch aussieht, am besten so realistisch, dass es wie ein Foto aussieht. Auch ich staune immer wieder über Künstler, die die Geduld aufbringen, solche photorealistische Bilder zu malen, dass die Figuren richtig echt aussehen. Ich jedoch lege es nicht darauf an, ein photorealistisches Bild meiner Kinder oder anderer Motive zu malen. Ich möchte sie in meinem Stil malen – und der ist abstrahiert, übersetzt, stilisiert – wie auch immer. Ich habe keine Lust und auch keine Zeit bzw. Geduld, realitätsgetreu jede Linie, jeden Pixel Licht und jeden Pixel Schatten zu kopieren – und das ist in Ordnung, dass ich mein eigenes Konzept vom Malen habe! Ich möchte das hier unbedingt sagen, weil mich solche Aussagen doch am Anfang, als ich wieder angefangen habe zu malen, doch sehr verunsichert haben. Es geht doch gerade darum, die Dinge auf seine ganz persönliche Art und Weise zu malen und sein Inneres damit ein stückweit nach außen zu kehren. Gerade das ist das Spannende daran!

Die verführerischste Sache an der Kunst ist die Persönlichkeit des Künstlers selbst.

Paul Cezanne

Und hier ist auch noch ein schönes Zitat von Andrew Loomis, einen berühmten US-amerikanischen Illustrator  aus dem 20. Jhd. (frei übersetzt):

Illustration ist das Leben, wie du es wahrnimmst und interpretierst. Das ist dein Erbe als Künstler und die Qualität, nach der am meisten gesucht wird bzw. die am begehrtesten ist in deiner Arbeit. Versuche, diese nie zu verlieren oder der Persönlichkeit eines anderen unterzuordnen. Soweit es dich und deine Arbeit betrifft, besteht dieses Leben aus Linien, Farbtiefen, Farbe und Design – plus deine Gefühle dazu. Der individuelle Ausdruck ist der größte Wert – die Sache, die Illustrieren für immer über das Fotografieren erhebt.

Andrew Loomis

Genauso sehe ich das auch. Ich möchte ja mit meinen Bildern etwas illustrieren und zeigen, z.B. eine Begebenheit darstellen, an die ich mich gerne erinnern möchte. Beispielsweise als meine Tochter vor kurzem aus der Stadt nach Hause kam und freudestrahlend mit einem rosa Plüschlama an der Tür stand oder als mein Kleiner das erste Mal ein Katzenbaby im Arm hatte und völlig hin und weg war.

art journaling 
illustrativer Stil 
gemalte Erinnerungen
Gezeichnete Erinnerungen: In diesem Falle waren das einfache Bleistiftzeichnungen, nicht ausgearbeitet im illustrativen Stil. Das wichtigste für mich war, diese Erinnerung festzuhalten.

Ich möchte diese Momente festhalten! Und nicht wochenlang an einem einzigen photorealistischen Bild sitzen. In photorealistischen Bildern fehlt mir persönlich (!) die Note des Künstlers: wie sieht er die Welt und interpretiert sie? Das ist nicht das, was ich möchte! Jeder kann ganz alleine für sich entscheiden, wie realistisch oder abstrahiert ein Bild aussehen soll – und das sogar nach Lust und Laune zu jedem beliebigen Zeitpunkt neu. Manche Bilder werden bei mir ‚realistischer‘ als andere, weil ich mehr Zeit und Lust dazu habe, andere kürze ich ab und will einfach nur in aller Einfachheit die Essenz der Sache festhalten.

Für mich ist keiner der Ansätze der heilige Gral. Keiner ist besser oder schlechter als der andere. Die Frage ist: Wie möchtest DU malen? Was gefällt DIR? Was möchtest DU ausprobieren? Und – wie viel Zeit hast du für deine Bilder? Möchtest du gerne eins richtig ausgefeilt auf das Papier bringen, so naturgetreu wie möglich? Oder möchtest du eher illustrativ – Begebenheiten, Orte, Gedanken etc. festhalten?

Denk aber auch daran: nichts ist in Stein gemeißelt. Du kannst wechseln, experimentieren, heute so, morgen so, wie du Lust hast. Bleib bei dir und was dir gefällt und wonach du dich HEUTE fühlst.

Was andere Meinungen zu deinen Bildern betrifft. Wenn du anderen deine Bilder zeigst, dann können sie natürlich ihre eigene Meinung haben. Es kann sein, dass das Bild für sie zu unrealistisch ist – dass ihre ideale Vorstellung von diesem gemalten Objekt auf dem Kontinuum woanders liegt – näher an dem Punkt des Realismus. Aber das muss dich nicht bekümmern. Dein Bild ist dadurch nicht schlechter geworden. Es ist wie es ist. Es ist dein Stil – so wie DU ihn magst und haben willst.

Natürlich kann man auf der anderen Seite auch konstruktive Kritik (idealerweise von Menschen, die selber malen und nicht von jenen, die selbst zuletzt als Fünfjährige freiwillig gemalt haben!) annehmen und Dinge verbessern, die einem selber nicht gefallen – von denen man denkt, sie könnten besser sein. Ich finde, jeder sollte bestrebt sein, ständig an seinen Fähigkeiten zu arbeiten – denn nur dann ist man auch frei in seiner Entscheidung, ob man seinen Stil so beibehalten möchte oder ob man Dinge anders zeichnen möchte. Wenn man nur auf eine bestimmte Art und Weise zeichnet, weil man es nicht besser kann – es aber einem eigentlich gar nicht wirklich gefällt, dann ist man selber unzufrieden und so soll es nicht sein. Doch zum Glück gibt es hierfür eine einfache Lösung: dazu lernen und sich weiter entwickeln. Ich liebe es! Es gibt sooo viel zu lernen und auszuprobieren! Und die Bandbreite der Möglichkeiten erhöht sich dadurch stetig.

Die Materialien und wie du sie nutzt

Verschiedene Stile ergeben sich auch daraus, welche Medien du zum zeichnen oder malen verwendest und wie du sie verwendest.  Zeichnest du Linien, die später koloriert werden oder lässt du die Linien ohne Farbe so stehen? Mit welchem Medium malst du die Linien? Bleistift, Kohle, Fineliner, Tinte (Füller, Federhalter, Brushpen) …Wie kolorierst du? Mit Aquarell, Wachsmalstiften, Acrylfarbe ….? Malst du locker über die Linien hinaus oder ist es dir wichtig, innerhalb der Begrenzungen zu bleiben? Bekommen die Farbflächen durch das Kolorieren Texturen oder malst du sie so sehr aus, dass keine einzelnen Striche oder Texturen mehr zu sehen sind? Wie nutzt du Licht und Schatten mit deinen Medien?

Natürlich ist die Frage nach dem Medium heutzutage auch: analog oder digital? Beides hat seine Vor- und Nachteile. Und ich muss mich ja auch gar nicht einschränken oder begrenzen. Ich kann beides tun, was ja auch mehr Spaß macht und mehr Abwechslung bringt. Beim digitalen Malen mit meinem Ipad Pro und der App Procreate kann ich einfach auf dem Sofa sitzen oder unterwegs malen und habe immer alle Pinsel und Farben dabei, die ich jemals brauchen könnte. Außerdem kann ich stets und ständig jeden Schritt widerrufen, Dinge problemlos verschieben, vergrößern, verkleinern, anders anordnen, deformieren etc. Gerade letzteres ist aber für mich als Perfektionist auch wieder ein Nachteil. Denn ich finde einfach kein Ende. Oft lege ich verschiedene Farbvarianten eines Bildes an oder verändere die Kompositionen – bis ich so viele Varianten habe, dass ich nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Oder ich zoome in das Bild hinein und verbessere die kleinsten Ungenauigkeiten, bis ich selbst davon genervt bin. Beim analogen Malen finde ich genau diese Ungenauigkeiten charmant – wenn z.B. die Farbe nicht immer innerhalb der Outlines bleibt oder wenn die Aquarellfarben auf eine Art ineinander fließen, wie ich das gar nicht geplant hatte. Überhaupt liebe ich das Fließen der Farben auf dem Papier und auch wenn man Aquarellfarben in den digitalen Programmen imitieren lassen, fehlt mir der tatsächliche Prozess dazu, also dass ich nicht zuschauen kann, wie beispielsweise die Farben ineinander fließen oder die Haptik von Pinsel und Papier. Andererseits lässt es sich mit Aquarellfarben aber eher schlecht auf dem Sofa malen … Dafür kann ich aber auch mit Bleistift auf dem Sofa oder unterwegs skizzieren. Wie gesagt, alles hat seine Vor-und Nachteile und warum sollte man nicht einfach beides nehmen, wenn verfügbar – je nachdem, wonach einem gerade so ist.

Farbwahl

Schließlich gehört auch die Farbwahl zum künstlerischen Stil dazu, denn sie beeinflusst sehr stark die Stimmung der Bilder. Bevorzuge ich eher erdige Töne, pastellige Farben oder mag ich es richtig knall-bunt? Gibt es Farben, die immer wieder auftauchen? Das ist eine Frage, die ich lange nicht beantworten konnte und deren Antwort ich nur durch regelmäßiges Malen herausbekommen habe. Ich habe die Frage zunächst einfach stehen lassen und mich selbst beobachtet: Zu welchen Farben greife ich rein intuitiv? Wenn mir ein Bild von anderen Künstlern gefällt – was für Farben benutzt er oder sie?Außerdem habe ich mir Wissen zum Thema Farbtheorie angeeignet, was sich trockener anhört, als es ist. Ich fand es sogar richtig spannend. Ich habe experimentiert und auch wenn mir mein Ergebnis mal nicht gefallen hat – oder gerade dann – war das im Grunde genommen das Hilfreichste, das passieren konnte: Ich habe daraus gelernt und es das nächste Mal anders gemacht. Ich habe damit einen Weg gefunden, wie es für mich nicht geht und damit eine der vielen, vielen Möglichkeiten ausgeschlossen. Was bedeutet, dass ich dem Ziel näher komme. Nämlich heraus zu finden, welche Farben mir an meinen Motiven gefallen. 

Das Thema der Farbharmonien war für mich persönlich ein besonders Schwieriges. Aufgrund einiger Erfahrungen in meinem Leben hatte ich geschlussfolgert, dass ich keine Ahnung von eben jenen hatte. Andere schienen immer perfekt zu wissen, was zusammen passt und was nicht. Wie oft musste ich mir anhören, dass ich farblich total daneben liege! Ich mag z.B. die Kombination von grün und blau – auch bei Kleidung. Als Kind musste ich allerdings lernen, dass diese Farbkombi anscheinend so furchtbar ist, dass man damit nun wirklich nicht auf die Straße gehen kann. Ich habe das einfach nicht verstanden und verstehe es auch bis heute nicht, warum man grün und blau nicht zusammen tragen sollte. Heute weiß ich außerdem, dass grün und blau eine analoge Farbharmonie darstellen und sehr gut zusammen passen. Auch in der Natur sieht man einen blauen Himmel mit grünen Bäumen davor.

Ich habe mich dann irgendwann gefragt: Stimmt das eigentlich, dass ich keinen Sinn für Farbharmonien habe? Nur weil ich manchmal Farben anders zusammen stelle als andere Menschen? Warum sollen andere diese Weisheit denn aber haben und ich nicht? Vielleicht ist gerade MEINE Farbwahl das, was meinen Stil ausmacht … Nur weil ein paar Menschen in meinem Umfeld meinen Farbgeschmack nicht mit mir teilen, heißt das ja auch nicht, dass es niemandem gefällt, was ich tue. Ich kann heute sicher immer noch einiges zum Thema Farben lernen, aber auch dann werde ich mich darauf besinnen, was MIR gefällt. Insofern hilft mir das Malen wiederum dabei, zu mir selbst zu stehen, das wert zu schätzen, was mir gefällt und mich nicht nach anderen zu richten.

Abschließende Worte

Abschließend kann ich sagen, dass es für mich wirklich wichtig war, mir all diese Stilfragen nicht nur theoretisch zu stellen. Auf all die Antworten, die ich bisher gekommen bin, bin ich intuitiv während des Malens gestoßen – weil ich während des Malens intuitiv entschieden habe, wie es weiter gehen soll – was mir gefällt, welche Farben ich jetzt nehme, welche Stifte ich darüber hinaus verwende, ob ich etwas dazu schreibe usw.

Benutze gerne meine Punkte, um dir vorab ein paar Gedanken zu machen und Erkenntnisse auf dem Weg zu deinem Stil zu gewinnen. Und dann male, male, male und dein Stil wird sich heraus kristallisieren. Er wird sich darüber hinaus auch mit all deinen Lernprozessen weiter entwickeln – je nachdem, worauf du deinen Fokus beim Lernen legst. Hab Vertrauen. Dein Stil ist in dir und wenn du anfängst zu malen, wird er sich dir zeigen. Das ist unvermeidlich. 🤗

6 Kommentare

  1. Liebe Anni.

    Damit ermutugst du mich sehr, wieder mit dem Malen anzufangen und deine Gedanken zum Thema Stil finde ich sehr wertvoll.Der Weg zum eigenen Stil ist eigentlich der Weg zu mir selbst.Und es geht gar nicht darum, wie es anderen gefällt, sondern es geht darum, in mich hinein zu spüren dabei, um mich zu finden..Bzw das was meine Seele durch mich ausdrücken möchte

    • Danke für deinen schönen Kommentar, liebe Corinna. Ich freue mich so sehr, dass ich dir damit ein paar neue Gedankenanstöße geben konnte ❤️. Ganz genau – du hast das wunderbar ausgedrückt. Das Malen ist und war auch für mich ein Weg, wieder zu mir zu finden und am Anfang fiel es mir gar nicht so leicht, in mich hinein zu hören und zu hören, was MIR gefällt – und dann auch MEINE Ergebnisse anzunehmen und gut zu finden 😉. Das war wirklich ein Prozess und nun ja, er hält an … aber ich finde den Weg immer noch faszinierend und aufregend und kann mir nichts Schöneres vorstellen! Ich finde es richtig toll, wenn du wieder anfängst zu malen 😘

  2. Deine Gedankengänge zum Thema Zeichenstil sind wirklich sehr interessant und regen dazu an, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Du schreibst das alles auch in einem sehr erfrischenden Schreibstil, dass man das Gefühl hat, sich mit dir zu unterhalten.
    Ich denke, du hast absolut Recht damit, dass man nur über das Tun, also das selbst Malen und Ausprobieren, seinen Stil findet. Und alles hat seine Berechtigung.
    Ich bin auch jemand, dem verschiedene Stilarten gefallen und daran möchte ich mich auch selbst ausprobieren und mich nicht festlegen. Ich denke, das entwickelt sich alles im Laufe der Zeit…
    Ich bin sehr gespannt, noch mehr deiner wirklich tollen Blogbeiträge zu lesen…

    • Ganz genau, es entwickelt sich alles von alleine, liebe Heike! Vielen Dank für deinen tollen Kommentar! Ich freue mich sehr, dass dir meine Artikel gefallen! 😍

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